Pflegebedürftige Menschen werden je nach ihrer noch vorhandenen Selbstständigkeit in fünf Pflegegrade (früher Pflegestufen) eingestuft. Die bis Ende 2016 geltenden drei Pflegestufen wurden durch die Pflegegrade komplett ersetzt.
Wer welchen Pflegegrad (Pflegegrad 1, 2, 3, 4 oder 5) erhält, wird durch Gutachter des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) oder andere anerkannte Prüforganisationen festgestellt. Entsprechend des Gutachtens entscheidet die zuständige Pflegekasse, ob sie ihrem Versicherten einen Pflegegrad zubilligt oder den Antrag ablehnt. Wird ein Pflegegrad zugewiesen, können nach der ersten Kontaktaufnahme mit der Krankenkasse Pflegeleistungen von den Pflegekassen erhalten werden.
Wer welchen Pflegegrad erhält, ermitteln die Prüfer nach einem Punktesystem. Dabei gilt: Je mehr Punkte der Begutachtete erhält, desto höher ist der Pflegegrad und desto mehr Pflege- und Betreuungsleistungen genehmigt die Pflegekasse. Entscheidend sind dabei folgende Bereiche: Mobilität, kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, Selbstversorgung, Umgang mit krankheitsbedingten Veränderungen sowie Gestaltung des Alltags.
Achtung: Der Artikel dient lediglich der Information und ersetzt keine rechtliche Beratung.
Autor: Prof. Dr. Martin Przewloka
Zuletzt bearbeitet am 17.01.2023 von: Bettina Morich (Redakteurin)
Der Weg zum Pflegegrad
Kurzfassung:
Der erste Anlaufpunkt zur Beantragung eines Pflegegrades ist die Krankenkasse des Pflegebedürftigen. Alle Krankenkassen haben integrierte Pflegekassen, welche sich um Pflegeleistungen kümmern. Bei der Pflegekasse muss ein Antrag auf Feststellung der Pflegebedürftigkeit gestellt werden – dies kann schriftlich oder auch mündlich, etwa per Telefon, erfolgen.
Die Pflegekasse sendet Ihnen anschließend ein Formular zu, welches Sie ausfüllen und zurücksenden müssen. Dort wird beispielsweise abgefragt, ob die pflegebedürftige Person in einer Einrichtung oder zuhause lebt. Alternativ kann man sich das Formular auch oftmals auf der Website der Krankenkasse downloaden.
Achtung: Der Antrag kann auch mündlich gestellt werden, wir würden Ihnen davon aber abraten, da der Pflegegrad ab Antragsdatum bewilligt wird. Stellen Sie den Antrag mündlich haben Sie keinen Nachweis, wann er eingegangen ist.
Nun beauftragt die Pflegekasse einen Gutachter, der die Pflegebedürftigkeit einschätzen soll. Bei den gesetzlichen Krankenkassen übernimmt das der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK), bei Privatversicherten die Firma Medicproof. Die Begutachtung findet bei der pflegebedürftigen Person zuhause oder, falls dieser in einer Einrichtung lebt, dort statt. Sie erfolgt durch eine ausgebildete Pflegefachkraft oder einen Arzt. Die Kranken- bzw. Pflegekasse sollte frühzeitig kontaktiert werden, da die Leistungen bei einer Bewilligung frühestens ab dem Monat, in dem der Antrag gestellt wurde, in Anspruch genommen werden können, nicht rückwirkend. Wie lange es bis zur Bearbeitung eines Antrags dauert, hängt stark von den einzelnen Pflegekassen ab, jedoch hat der Gesetzgeber eine fünfwöchige Bearbeitungsfrist festgelegt. Befindet sich der Antragsteller im Krankenhaus oder in einer stationären Rehabilitationseinrichtung, ist die Bearbeitungszeit unter bestimmten Umständen auf eine Woche begrenzt.
Sollte der Antrag auf einen Pflegegrad abgelehnt worden sein, kann innerhalb von vier Wochen Widerspruch dagegen eingelegt werden. Dazu sollte schnellstmöglich Kontakt zur jeweiligen Krankenkasse aufgenommen werden.
Dies gilt auch, wenn Sie der Meinung sind, falsch eingestuft worden zu sein. Auch bei nur wenigen Punkten bis zum nächsten Pflegegrad kann sich ein Widerspruch lohnen.
Leistungen
Die Leistungen der Pflegekassen können als Geldleistungen und als Sachleistungen in Anspruch genommen werden. Die Geldleistungen nennt man auch Pflegegeld. Dieses bekommt der Pflegebedürftige ausgezahlt. Er kann es als Anerkennung an die pflegenden Angehörigen weitergeben. Damit der Versicherte auch angemessen versorgt wird, gibt es Beratungsbesuche von Pflegekräften. Pflegesachleistungen hingegen sind für das Bezahlen von ambulanten Pflegediensten vorgesehen. Auch die voll- und teilstationäre Pflege kann mit den Pflegesachleistungen bezahlt werden. Es besteht die Möglichkeit, beide Leistungen miteinander zu kombinieren. Man kann in diesem Fall aber nicht sowohl Pflegegeld als auch Pflegesachleistungen voll beanspruchen, sondern das Pflegegeld wird prozentual um die verwendeten Pflegesachleistungen gekürzt.
Personen mit Pflegegrad 1 sind noch weitgehend selbstständig und nur geringfügig pflegebedürftig. Ihnen stehen monatlich der sogenannte "Entlastungsbetrag" von 125 € als Kostenerstattung für Betreuungs- und Entlastungsleistungen sowie monatlich 40 € für die Versorgung mit Pflegehilfsmitteln zum Verbrauch zu. Weiterhin erhalten die Pflegebedürftigen Zuschüsse zur altersgerechten Wohnraumgestaltung (bis zu 4.000 €) sowie bei Bedarf zwei kostenlose Beratungsbesuche pro Jahr.
Ab
Pflegegrad 2
kann Pflegegeld bezogen werden. Ab hier gibt es zusätzlich zum Entlastungsbetrag auch Pflegesachleistungen.
Pflegegrad 3
ist für Menschen mit schweren Beeinträchtigungen gedacht.
Pflegegrad 4
wird bei schwersten Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit zugewiesen. Bei jedem Pflegegrad finden jährlich wenigstens 2 Beratungsgespräche statt. Diese werden von amulanten Pflegediensten durchgeführt und sind verpflichtet. Werden sie nicht wahrgenommen wird das Pflegegeld gekürzt.
Auch bei Pflegegrad 5 liegen schwerste Beeinträchtigungen vor. Außerdem werden besondere Anforderungen an die pflegerische Versorgung berücksichtigt. Normalerweise müssen bei der Begutachtung mindestens 90 Punkte erreicht werden, um in den Pflegegrad 5 eingestuft zu werden. In bestimmten Fällen kann eine Einstufung in den Pflegegrad 5 jedoch auch erfolgen, selbst wenn diese 90 Punkte nicht erreicht wurden. Voraussetzung ist ein außergewöhnlich hoher Hilfebedarf mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung, die der MDK feststellt.
Berechnung
Die Pflegegrade werden anhand des Punktesystems „NBA“ von Gutachtern der Krankenkassen berechnet. Dabei werden die folgenden Bereiche (auch „Pflegegrad-Module“ genannt) geprüft. Es gibt insgesamt sechs Module, von denen 5 gewertet werden:
Pflegegeld kann unter bestimmten Voraussetzungen versteuert werden. Pflegebedürftige, Verwandte von Pflegebedürftigen sowie Menschen, die eine enge Beziehung mit dem Bedürftigen haben, müssen keine Steuern bezahlen. Alle anderen, beispielsweise Personen, die Pflege erwerbsmäßig betreiben, müssen Steuer entrichten.
Ja, Pfleger, die ein verwandtschaftliches oder anderes enges Verhältnis mit dem Bedürftigen haben, haben Anspruch auf Sozialleistungen, wie beispielsweise Beitragszahlungen zur Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Unfallversicherung.
Nein, die Rente wird unabhängig von der Pflegebedürftigkeit gezahlt.
Ja, denn der Pflegegrad sagt prinzipiell nichts über die Fähigkeit aus, ein Fahrzeug zu lenken. Solange eine Person sicher fahren kann, ändert sich nichts. Bei körperlichen Beeinträchtigungen kann es notwendig werden, das Fahrzeug behindertengerecht umzubauen. Bei psychischen Beeinträchtigungen haben die Straßenverkehrsbehörden die Möglichkeit, die Fahrerlaubnis bei bestimmten Krankheitsbildern zu entziehen bzw. Einschränkungen aufzuerlegen.
Das NBA, kurz für „neues Begutachtungsassessment“ ist das Regelwerk, nachdem der Pflegegrad von Mitarbeitern der Pflegekassen beurteilt wird.
Ja, ein Widerspruch ist möglich und in vielen Fällen sogar ratsam, wenn der Punkteabstand zum nächsthöheren Pflegegrad gering ist. Ein großer Teil der Widersprüche ist erfolgreich.
Nur der Pflegebedürftige selbst kann einen Pflegegrad mit seiner Unterschrift beantragen. Ist dieser nicht mehr dazu in der Lage, kann ersatzweise der gesetzliche Vertreter den Antrag stellen.
Nein, das ist leider nicht möglich. Ein festgestellter Pflegegrad gilt rückwirkend zum ersten Tag der Kontaktaufnahme mit der Pflegekasse, jedoch nicht darüber hinaus.
Es ist zwar nicht zwingend, kann jedoch sinnvoll sein. Auch wenn der Pflegebedürftige im Krankenhaus oder in der Reha ist, gibt es die Möglichkeit, einen Antrag über den lokalen Sozialdienst zu stellen.
Sobald sich der Zustand des Pflegebedürftigen wahrnehmbar ändert, sollte eine Erhöhung des Pflegegrades beantragt werden. Im Falle eines positiven Bescheids erhöhen sich die Leistungen der Pflegekasse.
Prof. Dr. Martin Przewloka hat im eigenen familiären Umfeld umfangreiche Erfahrungen mit dem Thema Pflege gesammelt und teilt sein Wissen über verschiedene Kanäle mit anderen pflegenden Angehörigen. Durch seinen Universitätsabschluss in Medizinischer Physik (Universität Kaiserslautern) versteht er zudem die gesundheitlichen Hintergründe der unterschiedlichen Erkrankungen und kann sich in die Lage der Pflegebedürftigen hineinversetzen.