Pflegebedürftige Menschen werden je nach ihrer noch vorhandenen Selbstständigkeit in fünf Pflegegrade (früher Pflegestufen) eingestuft. Die bis Ende 2016 geltenden drei Pflegestufen wurden durch die Pflegegrade komplett ersetzt.
Wer welchen Pflegegrad (Pflegegrad 1, 2, 3, 4 oder 5) erhält, wird durch Gutachter des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) oder andere anerkannte Prüforganisationen festgestellt. Entsprechend des Gutachtens entscheidet die zuständige Pflegekasse, ob sie ihrem Versicherten einen Pflegegrad zubilligt oder den Antrag ablehnt. Wird ein Pflegegrad zugewiesen, können nach der ersten Kontaktaufnahme mit der Krankenkasse Pflegeleistungen von den Pflegekassen erhalten werden.
Wer welchen Pflegegrad erhält, ermitteln die Prüfer nach einem Punktesystem. Dabei gilt: Je mehr Punkte der Begutachtete erhält, desto höher ist der Pflegegrad und desto mehr Pflege- und Betreuungsleistungen genehmigt die Pflegekasse. Entscheidend sind dabei folgende Bereiche: Mobilität, kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, Selbstversorgung, Umgang mit krankheitsbedingten Veränderungen sowie Gestaltung des Alltags.
Achtung: Der Artikel dient lediglich der Information und ersetzt keine rechtliche Beratung.
Autor: Prof. Dr. Martin Przewloka
Zuletzt bearbeitet am 9.05.2022 von: Bettina Morich (Redakteurin)
Ab Pflegegrad 2 können Leistungen in Form von Pflegegeld und Pflegesachleistungen genutzt werden. Wie diese eingesetzt werden können, zeigen wir in dieser Auflistung:
1) Pflege durch Angehörige: Kümmern Sie sich als Angehöriger selbst um die Pflege Ihres pflegebedürftigen Angehörigen, wird im Regelfall das Pflegegeld zur Finanzierung genutzt. Los geht es ab Pflegegrad 2 mit 316 € pro Monat, bei Pflegegrad 5 werden bereits 901 € direkt an den Pflegebedürftigen überwiesen. Wichtig: Die Pflege von Angehörigen ist ein Vollzeitjob, den man besser zusammen mit professionellen Pflegekräften abwickelt. Angebote, wie z.B. die stundenweise Betreuung, können vollständig über die Pflegekasse finanziert werden, eine Beratung lohnt sich also in jedem Fall.
2) Stundenweise Betreuung: In diesem Fall betreut ein ambulanter Dienstleister für ein paar Stunden pro Tag den Pflegebedürftigen. Die Leistungen reichen von der grundlegenden Pflege bis hin zu Beschäftigungsmaßnahmen, Hilfen im Haushalt und Begleitung zu sozialen Anlässen. Insbesondere bei an Demenz erkrankten Menschen kann dies eine echte Erleichterung für die Angehörigen sein. Die stundenweise Betreuung kann von den sogenannten Pflegesachleistungen abgerechnet werden. Wichtig: Finden Sie einen Anbieter mit voller Pflegekassenzulassung, sodass die private Zuzahlung entfällt oder möglichst niedrig ist. Über unser kostenloses Service-Telefon (0800 122 273 0) helfen wir Ihnen gerne, einen passenden Anbieter in Ihrer Umgebung zu finden, der freie Kapazitäten hat. Dieses Angebot ist für Sie vollständig kostenfrei und wird durch Beiträge der Pflegedienstleister finanziert.
3) 24-Stunden-Pflege: Bei dieser Form der Pflege zieht eine Pflegekraft in die Wohnung des Pflegebedürftigen ein und kümmert sich rund um die Uhr um das Wohlergehen des Patienten. Die Pflegekräfte kommen im Regelfall aus Osteuropa und werden über deutsche Agenturen vermittelt. Da die Agenturen keine Zulassung der Pflegekasse haben, kommt zur Finanzierung nur das Pflegegeld und das Verhinderungspflegegeld in Frage, welche beide ab Pflegegrad 2 direkt an den Pflegebedürftigen gezahlt werden. Eine legale 24-Stunden-Pflege kann nach Abzug der Kassenleistungen zwischen 1.000 und 2.500 € pro Monat kosten. Wichtig: Tappen Sie nicht in die Falle einer illegalen Beschäftigung, um ein paar Euro zu sparen. Die Erfahrung zeigt, dass sich der Ärger und der Aufwand nicht lohnen.
4) Klassische ambulante Pflege: Hierbei handelt es sich um eine mobile Pflege, die weniger mit Betreuung, sondern mehr mit der Erfüllung der wesentlichen Pflegebedürfnisse zu tun hat. Das bedeutet: Wundversorgung, Medikamentengabe, Verabreichung von Injektionen, Setzen von Kathetern etc. Die Abrechnung erfolgt über die Pflegesachleistungen. Wichtig: Die klassische ambulante Pflege ist meist eng getaktet und kann eine echte Betreuung der Pflegebedürftigen aus Zeitgründen nicht erfüllen. Als Zusatz empfiehlt sich deshalb eine stundenweise Betreuung (siehe Punkt 2), die den Pflegebedürftigen ein paar Stunden pro Tag im Alltag begleitet, beispielsweise bei der Zubereitung von Mahlzeiten, beim Sauberhalten der Wohnung und beim Wäsche waschen.
5) Das Pflegeheim: Ähnlich wie bei der 24-Stunden-Pflege werden die Pflegebedürftigen ganztägig oder tagsüber bzw. nachtsüber in Einrichtungen von professionellem Personal gepflegt, das alle Aufgaben rund um die Pflege erfüllen kann. Oftmals gibt es zusätzlich Betreuungs- und Aktivierungsangebote. Bezahlt wird über die Pflegesachleistungen, die monatlich bis zu ca. 2.000 € betragen. Alles, was darüber hinaus geht, muss privat zugezahlt werden.
Der erste Anlaufpunkt zur Beantragung eines Pflegegrades ist die Krankenkasse des Pflegebedürftigen. Alle Krankenkassen haben integrierte Pflegekassen, welche sich um Pflegeleistungen kümmern. Bei der Pflegekasse muss ein Antrag auf Feststellung der Pflegebedürftigkeit gestellt werden – dies kann schriftlich oder auch mündlich, etwa per Telefon, erfolgen. Die Pflegekasse sendet Ihnen anschließend ein Formular zu, welches Sie ausfüllen und zurücksenden müssen. Dort wird beispielsweise abgefragt, ob die pflegebedürftige Person in einer Einrichtung oder zuhause lebt. Alternativ kann man sich das Formular auch oftmals auf der Website der Krankenkasse downloaden.
Nun beauftragt die Pflegekasse einen Gutachter, der die Pflegebedürftigkeit einschätzen soll. Bei den gesetzlichen Krankenkassen übernimmt das der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK), bei Privatversicherten die Firma Medicproof. Die Begutachtung findet bei der pflegebedürftigen Person zuhause oder, falls dieser in einer Einrichtung lebt, dort statt. Sie erfolgt durch eine ausgebildete Pflegefachkraft oder einen Arzt. Die Kranken- bzw. Pflegekasse sollte frühzeitig kontaktiert werden, da die Leistungen bei einer Bewilligung frühestens ab dem Monat, in dem der Antrag gestellt wurde, in Anspruch genommen werden können, nicht rückwirkend. Wie lange es bis zur Bearbeitung eines Antrags dauert, hängt stark von den einzelnen Pflegekassen ab, jedoch hat der Gesetzgeber eine fünfwöchige Bearbeitungsfrist festgelegt. Befindet sich der Antragsteller im Krankenhaus oder in einer stationären Rehabilitationseinrichtung, ist die Bearbeitungszeit unter bestimmten Umständen auf eine Woche begrenzt.
Sollte der Antrag auf einen Pflegegrad abgelehnt worden sein, kann innerhalb von vier Wochen Widerspruch dagegen eingelegt werden. Dazu sollte schnellstmöglich Kontakt zur jeweiligen Krankenkasse aufgenommen werden.
Die Leistungen der Pflegekassen können als Geldleistungen und als Sachleistungen in Anspruch genommen werden. Die Geldleistungen nennt man auch Pflegegeld. Dieses bekommt der Pflegebedürftige und kann es als Anerkennung an die pflegenden Angehörigen weitergeben. Damit der Versicherte auch angemessen versorgt wird, gibt es Beratungsbesuche von Pflegekräften. Pflegesachleistungen hingegen sind für das Bezahlen von ambulanten Pflegediensten vorgesehen. Auch die voll- und teilstationäre Pflege kann mit den Pflegesachleistungen bezahlt werden. Es besteht die Möglichkeit, beide Leistungen miteinander zu kombinieren, man kann in diesem Fall aber nicht sowohl Pflegegeld als auch Pflegesachleistungen voll beanspruchen.
Patienten mit Pflegegrad 1 sind noch weitgehend selbstständig und geringfügig pflegebedürftig. Ihnen stehen monatlich 125 € als Kostenerstattung für Betreuungs- und Entlastungsleistungen sowie monatlich 40 € für die Versorgung mit Pflegehilfsmitteln zum Verbrauch zu. Weiterhin erhalten die Patienten Zuschüsse zur altersgerechten Wohnraumgestaltung (bis zu 4.000 €) sowie bei Bedarf zwei kostenlose Beratungsbesuche pro Jahr. Pflegesachleistungen durch einen Pflegedienst müssen selbst getragen werden. Ausnahmen gibt es, wenn Bedürftige in einer ambulant betreuten Wohngruppe leben.
Der Pflegegrad 2 ist ein vollwertiger Pflegegrad, bei dem alle Leistungen der Pflegeversicherung beansprucht werden können. Pflegegrad 3 ist für Menschen mit schweren Beeinträchtigungen gedacht. Pflegegrad 4 wird bei schwersten Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit zugewiesen.
Auch bei Pflegegrad 5 liegen schwerste Beeinträchtigungen vor. Außerdem werden besondere Anforderungen an die pflegerische Versorgung berücksichtigt. Normalerweise müssen bei der Begutachtung mindestens 90 Punkte erreicht werden, um in den Pflegegrad 5 eingestuft zu werden. In bestimmten Fällen kann eine Einstufung in den Pflegegrad 5 jedoch auch erfolgen, selbst wenn diese 90 Punkte nicht erreicht wurden. Voraussetzung ist ein außergewöhnlich hoher Hilfebedarf mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung, die der MDK feststellt.
Hier die Leistungen im Überblick
Pflegegrad 1 | Pflegegrad 2 | Pflegegrad 3 | Pflegegrad 4 | Pflegegrad 5 | |
Pflegegeld | 316€ | 545€ | 728€ | 901€ | |
Pflegesachleistung | 724€ | 1363€ | 1693€ | 2095€ | |
Entlastungsbetrag | 125€ | 125€ | 125€ | 125€ | 125€ |
Kurzzeitpflege | 1774€ | 1774€ | 1774€ | 1774€ | 1774€ |
Verhinderungspflege | 1612€ | 1612€ | 1612€ | 1612€ | 1612€ |
Stationäre Pflege | 770€ | 1.262€ | 1.775€ | 2.005€ | |
Hilfsmittel zum Verbrauch | 40€ | 40€ | 40€ | 40€ | 40€ |
Wohngruppenzuschlag | 214€ | 214€ | 214€ | 214€ | 214€ |
Die Pflegegrade werden anhand des Punktesystems „NBA“ von Gutachtern der Krankenkassen berechnet. Dabei werden die folgenden Bereiche (auch „Pflegegrad-Module“ genannt) geprüft:
Das Wichtigste auf einem Blick: Pflegegrade und Pflegestufen.pdf
Pflegegeld kann unter bestimmten Voraussetzungen versteuert werden. Pflegebedürftige, Verwandte von Pflegebedürftigen sowie Menschen, die eine enge Beziehung mit dem Bedürftigen haben, müssen keine Steuern bezahlen. Alle anderen, beispielsweise Personen, die Pflege erwerbsmäßig betreiben, müssen Steuer entrichten.
Ja, Pfleger, die ein verwandtschaftliches oder anderes enges Verhältnis mit dem Bedürftigen haben, haben Anspruch auf Sozialleistungen, wie beispielsweise Beitragszahlungen zur Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Unfallversicherung.
Nein, die Rente wird unabhängig von der Pflegebedürftigkeit gezahlt.
Ja, denn der Pflegegrad sagt prinzipiell nichts über die Fähigkeit aus, ein Fahrzeug zu lenken. Solange eine Person sicher fahren kann, ändert sich nichts. Bei körperlichen Beeinträchtigungen kann es notwendig werden, das Fahrzeug behindertengerecht umzubauen. Bei psychischen Beeinträchtigungen haben die Straßenverkehrsbehörden die Möglichkeit, die Fahrerlaubnis bei bestimmten Krankheitsbildern zu entziehen bzw. Einschränkungen aufzuerlegen.
Das NBA, kurz für „neues Begutachtungsassessment“ ist das Regelwerk, nachdem der Pflegegrad von Mitarbeitern der Pflegekassen beurteilt wird.
Ja, ein Widerspruch ist möglich und in vielen Fällen sogar ratsam, wenn der Punkteabstand zum nächsthöheren Pflegegrad gering ist. Ein großer Teil der Widersprüche ist erfolgreich.
Nur der Pflegebedürftige selbst kann einen Pflegegrad mit seiner Unterschrift beantragen. Ist dieser nicht mehr dazu in der Lage, kann ersatzweise der gesetzliche Vertreter den Antrag stellen.
Nein, das ist leider nicht möglich. Ein festgestellter Pflegegrad gilt rückwirkend zum ersten Tag der Kontaktaufnahme mit der Pflegekasse, jedoch nicht darüber hinaus.
Es ist zwar nicht zwingend, kann jedoch sinnvoll sein. Auch wenn der Pflegebedürftige im Krankenhaus oder in der Reha ist, gibt es die Möglichkeit, einen Antrag über den lokalen Sozialdienst zu stellen.
Sobald sich der Zustand des Pflegebedürftigen wahrnehmbar ändert, sollte eine Erhöhung des Pflegegrades beantragt werden. Im Falle eines positiven Bescheids erhöhen sich die Leistungen der Pflegekasse.
Prof. Dr. Martin Przewloka hat im eigenen familiären Umfeld umfangreiche Erfahrungen mit dem Thema Pflege gesammelt und teilt sein Wissen über verschiedene Kanäle mit anderen pflegenden Angehörigen. Durch seinen Universitätsabschluss in Medizinischer Physik (Universität Kaiserslautern) versteht er zudem die gesundheitlichen Hintergründe der unterschiedlichen Erkrankungen und kann sich in die Lage der Pflegebedürftigen hineinversetzen.